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Zeitungsbericht des Familienjournals vom 18.09.2005 | | Lehrreiche Geisterfahrt im Bobbycar |  In Eigeninitiative haben ein Privatmann und ein Kreis junger Eltern den Verkehrskindergarten in Recklinghausen-Röllinghausen errichtet. Zum Kreis gehört auch diese Mutter | Nicht mit erhobenem Zeigefinger lernen die Kinder die Regeln im Straßenverkehr. Im privaten Verkehrskindergarten in Recklinghausen-Röllinghausen dürfen die Kleinen einfach drauflos fahren. Wenn sie dann die Folgen Ihrer Fahrkunst zu spüren bekommen, geht's ans Lernen. Godehard Pötter hat in seinem Garten in Recklinghausen-Röllinghausen eine Autobahn - einspurig, aber immerhin. Wer kann das schon von sich behaupten? Würde es dort Verkehrsfunk geben, er müsste in diesem Moment melden: "Geisterfahrt im Bobbycar." Die fünfjährige Alina nämlich hat an einer der acht Kreuzungen des 300 Meter langen Straßennetzes soeben das Durchfahrt-verboten-Schild übersehen. Unweigerlich erlebt sie nun, wie stur und ungehalten andere Verkehrsteilnehmer reagieren können. Auf der nur einen Meter breiten Straße kommt es zur Kollision mit den entgegenkommenden Bobbycars. Das Chaos ist perfekt, das Geschimpfe ist groß. | Aus Fehlern lernen Lernen geschieht durch Erfahrung - genau das fördern Godehard Pötter (40) und seine Frau Elisabeth (41). Hinter ihrem Haus, wo andere Ziergurken und Rosensträucher gepflanzt haben, haben der selbstständige Unternehmensberater und die Erzieherin zusammen mit einem Kreis junger Eltern einen bundesweit einmaligen Verkehrskindergarten errichtet. Auf der Fläche von 1400 Quadratmetern ehemaligen Brachlandes möchten die Pötters, die in diesem Jahr zum zweiten Mal Eltern werden, statt Blumen ihre Version von einer besseren Verkehrs-Welt gedeihen sehen. "Bei uns dürfen Kinder Fehler machen", sagt Pötter. "Ich möchte den Mädchen und Jungen ein Grundverständnis für den Straßenverkehr beibringen und ihnen zeigen, dass man Rücksicht aufeinander nehmen muss. Daher dürfen schon Kinder ab dem Alter, in dem sie nicht mehr vom Bobbycar fallen, die Anlage benutzen. Soziale Kompetenz erlernt man schließlich nur in jungen Jahren. " Godehard Pötter hat das früh im eigenen Elternhaus erfahren, sein Vater und seine Mutter engagieren sich im Kolpingverband. Auch eine schwere Krankheit, die ihn vor 4 Jahren traf, habe ihn zusätzlich motiviert, aktiv zu werden. "Wir sind sehr religiös", sagt er, "vor allem in dem Sinn, dass wir Worten Taten folgen lassen wollen." |  Aufgepasst: Immer nur ein Kind kann mit seinem Tretauto den schmalen Tunnel passieren. |  Auf der Anlage können die Kinder mit Bobbycars, wie hier, aber auch mit Kettcars und Fahrrädern üben. | Für das Konzept konnte Pötter inzwischen schon 120 Eltern gewinnen, die sich im "Kreis junger Familien", einer Gruppe im Stadtelternrat von Recklinghausen, organisiert haben. Es sei die größte elterninitiative in der Region, wie Pötter nicht ohne Stolz erzählt. "Ich wollte einmal selbst etwas bewegen", sagt er. Die Kosten für den Bau des im April 2005 eröffneten Platzes auf seinen Privatgelände - immerhin rund 25 000 Euro - hat Pötter zu 90 Prozent aus der eigenen Tasche bezahlt. Der Rest waren Spenden. Das Ergebnis ist beeindruckend nah an der Wirklichkeit: Zehn kleine Ampeln ordnen den Straßenverkehr. Es gibt Ortschaften mit so sinnigen Namen wie Sandbergen, Spielhausen und Ostfelden. Zwei Bergtunnel und ein Kreisverkehr sowie ein "Netz" von insgesamt 300 Meter Straße geben ein realistisches Bild. Die kleinen Verkehrsschilder hat Godehard Pötter selbst entworfen. Sie entsprechen alle der Straßenverkehrsordnung, blättern aber aufgrund der Witterung an einigen Stellen ab. "Wenn wir da jemanden fänden der uns hilft, wäre ich froh", sagt Pötter, der sich über Unterstützung freuen würde. Die Steine für die Straße bekam der Privatmann zum Teil von der Stadt Recklinghausen geschenkt. Sie stammen vom Umbau des Busbahnhofs. Früher fuhren Busse über sie, heute Tretautos und Stützfahrräder. |  Godehard und Elisabeth Pötter initiieren mit Unterstützung vieler junger Eltern den Verkehrskindergarten. | Wichtige Familienangelegenheit Der Besuch der Anlage ist kostenlos. Warum aber nimmt Godehard Pötter keinen Eintritt, und warum verlangt er keine Mitgliedsbeiträge? Der Initiator möchte sich damit bewusst gegen die - wie er es nennt - "Cash-only-Mentalität" (Mentalität immer nur zu kassieren) in der heutigen Zeit wenden. Kein Wunder also, dass zum Beispiel auch viele Kindergartengruppen das Angebot nutzen. "Bei uns kann man aber keine Kinder abgeben" betont Pötter. Verkehrserziehung sei eine Familienangelegenheit. Auf seine Weise will Pötter das Familienleben stärken. "Ich habe den Anfang gemacht und bin in Vorleistung gegangen", sagt Pötter über sein privates Engagement. Wie lange er aber die Anlage aufrecht erhalten könne, hänge auch davon ab, ob er Sponsoren findet. An weiteren Ideen zur wirklichkeitsgetreuen Perfektionierung des Verkehrssystems mangelt es dem Visionär nicht. "Vielleicht bastele ich noch einen Starenkasten für die Anlage. Ich fürchte aber, dass die Kinder sich dann einen Sport daraus machen, den Verkehrsblitzer zum Auslösen zu bringen." Sogar an die richtige Geräuschkulisse für sein einspuriges Autobahnstück auf der Anlage habe er gedacht, sagt Pötter schmunzelnd. Der Verkehrskindergarten liegt nämlich in unmittelbarer Nähe zur A2, getrennt von ihr durch eine Schallschutzmauer. | Die Anlage in Zahlen: -
1400 Quadratmeter Gelände -
300 Meter Straße -
104 Verkehrszeichen -
acht Kreuzungen -
zehn Ampeln -
zwei Tunnelröhren unter einem Berg -
ein Kreisverkehr mit 3 Achsen -
Autobahn mit 3 Auf- und Abfahrten -
4 Fußgänger-Überwege -
drei Ortschaften |  Zuweilen geht es auf dem Gelände des Verkehrskindergartens bunt durcheinander zu. Dann, wenn alle gleichzeitig losfahren und ans Ziel kommen wollen. Spielerisch erfahren die Kinder, Rücksicht auf andere im Straßenverkehr zu nehmen. |
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