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Eltern-Teamwork - die Kinder wollen wir gemeinsam erziehen!
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Autor:  Lissy [ Sa 7. Mär 2009, 00:56 ]
Betreff des Beitrags:  Eltern-Teamwork - die Kinder wollen wir gemeinsam erziehen!

Eltern-Teamwork

Die Balance zwischen Wunsch und Wirklichkeit

von Peter Themessl, Quelle "Christen heute" 4/2007"

"Unsere Kinder wollen wir gemeinsam erziehen!" – diesen Vorsatz fassen zwei von drei Eltern-Paaren. Tatsächlich haben Kinder heute so gute Chancen wie noch nie, beide Eltern gemeinsam zu erleben. Trotz steigender Scheidungsraten: 86 Prozent der Kinder wachsen mit Mutter und Vater gemeinsam auf. Doch der gute Vorsatz, als „Team“ zusammen zu arbeiten, wird im Familienalltag auf harte Proben gestellt. Wenn Eltern nicht zu den wenigen gehören, die sich Erziehung (und Beruf) fifty fifty teilen, sieht der Alltag von beiden Eltern in der Regel völlig anders aus. Sie verbringen unterschiedlich viel Zeit mit ihren Kindern und kennen daher verschiedene Seiten von ihnen. Zudem erleben sie regelmäßig, dass beide unterschiedliche Einstellungen, Erziehungsziele und Reizschwellen haben. Logisch, dass sie auch unterschiedlich reagieren. Die Kinder merken das und testen, bei wem sie mehr erreichen.

Dann bringt der Dreikäsehoch den Satz: „Papa erlaubt es aber …!“ Unbewusst – oder genau taktierend – hat das Kind hier eine Schwachstelle entdeckt. Hoppla, da gehört noch etwas zwischen Mutter und Vater verhandelt! Wenn Eltern sich an dieser Stelle nicht gegenseitig ausspielen lassen wollen, brauchen sie klare Absprachen.


Vorbilder fehlen

Warum fällt das vielen Eltern so schwer? Vielen fehlen Vorbilder, wie gelungene Absprachen funktionieren. Seit vor gut hundert Jahren das Ideal der (bürgerlichen) Kleinfamilie entdeckt wurde, galt lange die Mutter als wichtigste Bezugsperson für ein glückliches Aufwachsen. Sigmund Freud hat sich intensiv mit dem Beziehungsaufbau in den ersten drei Lebensjahren beschäftigt, aber nur auf die Mutter-Kind-Beziehung geachtet – dem damaligen Ideal entsprechend. Dieses Ideal hat über Jahrzehnte das Mutterbild geprägt: in Deutschland (West) blieben Mütter überwiegend zu Hause. Taten oder wollten sie das nicht, handeln sie sich noch heute vielerorts den Vorwurf ein, eine Rabenmutter zu sein. Die Rolle des Vaters war über Jahrzehnte auf die des Ernährers fixiert.

Erst seit 20 Jahren hat die Forschung den Wert des Vaters erkannt. Die Bindungsforschung zählt auf: Gerade Jungen bekommen Durchsetzungsvermögen und Selbstvertrauen von Vätern vermittelt. Auch wie sie später mit Freundschaften und Beziehungen umgehen, hängt davon ab, wie feinfühlig sie vom eigenen Vater behandelt wurden. Bis Forschungsergebnisse in der Gesellschaft ankommen und sich bei Betreuungseinrichtungen oder Ausbildungen niederschlagen, vergehen einige Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, als junger Vater ein modernes Eltern-Vorbild zu haben, steigt erst langsam.

Hinzu kommt, dass Paare heute später Kinder bekommen als früher. Viele sind außerdem als Einzelkinder aufgewachsen. Die Urerfahrung, in einer Familie mit mehreren Kindern heranzuwachsen, haben immer weniger frischgebackene Eltern. Umso wichtiger, dass sich zwei Individuen mit Ansprüchen an Partner, Karriere und Kind miteinander absprechen. Wir leben in einer paradoxen Welt. In dem Maße, in dem die Kinder in unserer Gesellschaft weniger geworden sind, hat die Zahl an Erziehungswegweisern für Eltern zugenommen. Wohin in diesem Labyrinth mit tausend Wegen?


Von der Sehnsucht nach Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit

Auf vieles, was Kindern heute geboten wird, können sie lange Zeit verzichten. Weder eine Villa im Grünen noch Markenmode macht Kinder wirklich glücklich. Was Kinder sich von beiden Eltern ersehnen, sind im Wesentlichen drei Dinge: Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit. Die drei großen Z’s sind allerdings nicht als Einbahnstraße von den Eltern in Richtung Kinder zu sehen. Auch Eltern brauchen Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit – ein wenig von den Kindern, viel mehr aber voneinander.

  • Zeit

    Sie ist heute ein kostbares Gut geworden. Zeit ist der Boden, auf dem sich die Eltern-Kind-Beziehung entwickelt. Kinder brauchen nicht die Rund-um-die-Uhr-Versorgung von den Eltern. Das haben Väter und Mütter zu keiner Zeit geleistet. Sie brauchen aber die Sicherheit, dass Eltern für den zeitlichen Rahmen sorgen: für gemeinsame und getrennte Zeiten. In der gemeinsamen Zeit wollen Kinder das Leben der Eltern kennen lernen. Sie wollen verstehen, wie die Eltern leben, was ihnen wichtig ist und so an ihrem Leben teilnehmen. Sie mögen mit den Eltern essen, spielen und reden. Mehrere kurze Zeitspannen, in denen die Mutter oder der Vater wirklich ganz da sind, sind für Kinder die wertvollste Zeit des Tages. Hier wächst die Bindung.

    Für die Stunden, in denen Kinder die Familie verlassen, brauchen sie die Gewissheit, dass die Eltern den Ort für gut heißen, den sie aufsuchen, sei dies der Kindergarten, Großeltern oder Freunde. Nur so können sie die Zeit außer Haus entspannt genießen. Besondere Zeiten sind die Übergänge zwischen Zuhause und „fremdem“ Gebiet. Wenn Eltern beim Verabschieden und beim Wiederkommen die abgemachten Zeiten einhalten, fühlen Kinder sich sicher und geborgen.

    In der gemeinsamen Zeit wachsen nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern. Hier wächst die eigene Erziehungskompetenz, mit jedem gemeinsam erlebten Tag wird der erzieherische Erfahrungsschatz reicher. Das Leben mit Kindern darf nicht nur aus Arbeit bestehen, sonst werden die Kinder als Last empfunden. Eltern brauchen Zeit, um ihre Kinder genießen zu können. In freien Zeiten, in denen Eltern mit ihren Kindern Raum und Zeit vergessen, entsteht eine Kraft, die in den Alltag hineinwirkt. Gemeinsam lachen, über Bäche hüpfen oder Sterne angucken – manchmal verzaubern nur wenige Minuten. Das Leben mit Kindern wird wertvoll, wenn Eltern die Entwicklungsschritte ihrer Kinder mitverfolgen und so das Land kennen lernen, das ihre Kinder in Zukunft betreten werden. Zwanzig Jahre weitergedacht, werden die Kinder den Eltern ihre Welt zeigen.

    Gemeinsame Zeit brauchen auch Eltern miteinander. Zunächst fürs Praktische, für Absprachen im Umgang den Kindern. Bleibt neben diesem Pflichtprogramm noch Zeit für den gemeinsamen Blick auf die Entwicklung der Kinder, erfahren wir voneinander, was uns wirklich bewegt – mal ist es Stolz, mal Angst, mal Mitleid, mal Liebe. Wenn Familienprojekte wie Urlaub, Geburtstagsfeiern oder auch die Einschulung richtig gut laufen sollen, brauchen Eltern Zeit, sie miteinander zu planen. Gehen wir die Zukunft gemeinsam an, erhöhen wir zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen.

  • Zuwendung

    Wer sich Kindern zuwendet, zeigt sein Gesicht, geht auf Augenhöhe und signalisiert so: Ich habe Interesse an dir. Ein Kind, dem die Eltern liebevoll in die Augen schauen und dem sie sich zu-wenden, erfährt: Ich bin wertvoll. Wer sich zu-wendet, kann aktiv zuhören und Fragen stellen: Was hast du erlebt? Was beschäftigt dich? Kinder wünschen sich emotional feinfühlige und verlässliche Ansprechpartner, die sich auf ihre Welt einlassen. Zuwenden bedeutet zudem: schützen und Halt geben. Wenn Eltern am gesunden, glücklichen Leben der Kinder interessiert sind, überlegen sie Regeln und bestimmen sie Grenzen. Sie drücken damit aus: Du bist mir wichtig, deshalb verbiete ich dir die Dinge, die dich oder andere verletzen. Solche Zuwendung gibt dem Kind Orientierung und Halt.

  • Zärtlichkeit

    Kinder wollen keine verbalen Liebeserklärungen, sondern Liebe spüren: Wenn sie Trost suchen, mögen sie in den Arm genommen werden. Wenn Vater oder Mutter ihr Kind nach einem Wutanfall in den Armen festhalten, findet es wieder zu seiner eigenen Mitte. Massieren vor dem Zubettgehen lässt Kinder tiefer schlafen. Kuschelzeiten schaffen Nähe und Vertrautheit. Zärtlichkeit tut auch Eltern gut. Eltern, die sich als Paar zärtlich begegnen, haben es um vieles leichter, ihre Elternaufgabe zu meistern. Fällt die Zärtlichkeit weg, etwa bei getrennten Eltern, sind Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit für die Kinder mit mehr Mühen verbunden. Kleine aufmerksame Berührungen sind Blumen am Wegrand des Eltern-Abenteuers. Es geht zwar auch ohne, aber mit ist es schöner und mehr davon tut einfach gut.


Der Unterschied zwischen Eltern- und Paar-Beziehung

Selbst bei Eltern, denen Eltern-Teamwork auf weiten Strecken gelingt, brodelt immer mal wieder Ärger über unterschiedliche Ansichten. Man versteht nicht, wie der andere sich „so unmöglich“ verhalten kann. Das nervt umso mehr, wenn Sehnsüchte in der Paarbeziehung auf der Strecke bleiben. Wann waren wir das letzte Mal im Kino? Open Air? Schon lange nicht mehr! Zur mageren Zweierzeit gesellt sich womöglich noch mangelnde Lust bei einem oder beiden. Keine erotischen Highlights mehr, keine Spannung, keine Entspannung. Frust auf der ganzen Linie! Wenn Klagen in Streit umschlägt, zeigt sich bereits eine erste Kluft. Der Anspruch wird deutlich: Wir müssen etwas bewegen in unserer Beziehung! In „An-spruch“ steckt das Wort ansprechen: Paare sprechen – endlich! – an, was zwickt.

Konflikte austragen ist enorm wichtig, denn eine Ehe dauert – wenn sie nicht geschieden wird – heutzutage durchschnittlich (!) 45 Jahre. Das ist dreimal so lang wie noch vor 100 Jahren!

Als Paar sind wir also immer wieder gefordert, auf schwierige Entwicklungen zu reagieren und nach guten Lösungen zu suchen. Wenn eins, zwei, drei Kinder eines Tages das Haus verlassen, stehen einem Paar noch gute 20 Jahre bevor. Das ist fast ein Vierteljahrhundert, das sie jenseits der Familienphase zu zweit verbringen könnten! Wenn ein Paar diese Zeit genießen will, lohnt es sich, für eine lebendige Partnerschaft zu kämpfen und jetzt schon Konflikte mutig anzugehen!

Häufig bewegen sich Paare in einem doppelten Teufelskreis: Je mehr der Vater beruflich eingespannt ist, desto mehr fühlt sich die Mutter allein gelassen. Je mehr die Mutter über Überlastung klagt, desto mehr zieht sich der Vater in den Beruf zurück. Dieser Teufelskreis in der Elternbeziehung geht in der Paarbeziehung bald in die zweite Runde: Je öfter sich die Frau allein gelassen fühlt, desto mehr zieht sie sich sexuell zurück. Je mehr sie sich als Partnerin entzieht, desto weniger fühlt sich der Mann daheim gefragt. Je mehr er sich als Mann ignoriert fühlt, desto weniger ist er bereit, seine Frau emotional zu halten. Damit Eltern aus solch einem Kreislauf herauskommen, müssen sie an beiden Schrauben drehen: an der Paar- wie an der Elternbeziehung. Denn beide Beziehungen brauchen Zeit und Energie, um über Jahrzehnte zu überleben.


Ein paar grundsätzliche Lösungen lauten:

  • Nehmen Sie sich regelmäßig eine Auszeit als Paar. Babysitter sind kein Luxusgut für Eltern, sondern absolut überlebensnotwendig, denn Mann und Frau entdecken sich erst wieder als Paar, wenn sie nicht in der Elternverantwortung stehen.

  • Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für Gespräche über die Verteilung der Elternaufgaben: Wer trägt wann was zum Familienleben bei? Stimmt die berufliche Aufteilung noch? Gibt es genügend Freizeit für jeden allein?

  • Scheuen Sie sich nicht, für die Betreuung Ihrer Kinder mehr Unterstützung zu holen, damit Sie mehr Raum haben: für Paarzeiten und für Berufsmöglichkeiten! Wenn Ihre Kinder wählen könnten, würden sie sicher sagen: lieber Ganztagskindergarten als permanenter Beziehungsstress und Trennungsangst. Lieber für begrenzte Stunden einen Babysitter als für immer getrennte Eltern.

Eltern-Teamwork gibt Kindern den nötigen Halt, den sie für ihre Entwicklung brauchen. Kinder, die mit zwei aufmerksamen Eltern leben, wachsen zu starken Persönlichkeiten heran. Kinder brauchen eine Mutter und einen Vater mit ihren unterschiedlichen Einstellungen, Erziehungszielen und Reizschwellen! Ein Kind wird diese unterschiedlichen Eltern-Qualitäten von Vater und Mutter nutzen und als Schatz wahrnehmen. Vorausgesetzt, beide Eltern gestehen sich diese Unterschiede zu. Ihre Kinder profitieren: mit Rüstzeug von beiden werden sie selbst kraftvoll ins Leben starten.

Zu guter Letzt ist Eltern-Teamwork ein gutes Polster, um als Paar lange zu bestehen. Wenn Sie sich als Eltern unterstützen und Ihr Projekt „Familie“ gelingt, stärken diese Erfolgserlebnisse Ihre Partnerschaft.


Dieser Beitrag erschien bereits im Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung für Bayern, 11. Februar 1007. Herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis. Weitere Infos finden Sie in folgenden Büchern, die Peter Themessl gemeinsam mit der Familientherapeutin Eva Tillmetz herausgegeben hat:

  • Eva Tillmetz, Peter Themessl: Eltern werden – Partner bleiben, Kösel Verlag, München 2004, 236 Seiten, 15,95 Euro.
  • Eva Tillmetz, Peter Themessl: Papa hat’s aber erlaubt. Krisenklassiker im Kindergartenalter, Kösel Verlag München 2006, 224 Seiten, 14,95 Euro.

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