Wenn Wege auseinander zu gehen drohen... Krisen verstehen, Konflikte bewältigen - nicht erst wenn es zu spät ist!
(go) In jeder Partnerschaft, Freundschaft oder Beziehung kommt irgendwann der Punkt, wo es einfach nicht mehr geht. Manchmal kommt dann der Gedanke auf, sich zu trennen. Doch oft entsteht dies aus einem Gefühl des Verletztseins, das den Blick auf durchaus vorhandene Rettungsmöglichkeiten versperrt. Dies sieht man dann leider oft zu spät - wenn die Trennung eigentlich unnötig war. Doch wenn es richtig kracht, stellen sich oft Weichen für das ganze weitere Leben. Diese müssen aber nicht nur schmerzhaft sein, sondern können sich als Chance für eine viel bessere Lebenssituation entpuppen. Entscheidend ist, was jeder einzelne daraus macht.
Am meisten geraten Beziehungen dann durcheinander, wenn jemand anderes darin einbricht. Das kann ein Seitensprung in einer Paarbeziehung ein - oder sowas ähnliches in einer freundschaftlichen Beziehung. Ja auch das kommt öfter vor, als man denkt: In einer als sehr innig empfundenen Freundschaft keimt bohrende Eifersucht auf, wenn einer der Freunde neue weitere Bekanntschaften eingehen. Vor allem, wenn man selber mit diesen neuen Bekanntschaften vielleicht nicht so gut kann.
Die typischen Verhaltensmuster in solchen emotionalen Störungssituationen sind so, dass insgeheim oder offen angeklagt wird oder der "abtrünnigen" Beziehungspartner möglichst verletzt wird - so nach dem Motto "dem zeige ich es jetzt aber mal, wie schlecht es mir geht".
Wie kommt es zu Krisen?
Paarbeziehungen haben wie alle menschlichen Beziehungsgefüge die Tendenz, sich auf ein gewisses Gleichgewicht einzuspielen. Es besteht die Gefahr, daß sie darin im Lauf der Zeit erstarren. Zum Beispiel wenn einer der Partner sich in einer latent unbefriedigenden Lebenssituation fühlt, sich aber aus Liebe oder mangels echter Lösungsperspektiven damit "arrangiert".
Die latente Unzufriedenheit bleibt jedoch stets spürbar - manchmal mehr oder weniger unterschwellig. Der andere Partner wird sich zumeist dieser Unzufriedenheit entziehen, oft durch Flucht in den Beruf, ins Trinken, an den Computer oder zu seinen Kumpels. Daran entzündet sich die Unzufriedenheit und die Vorwürfe des ersteren Partners stets von neuem. Der andere reagiert wiederum mit Ausweichen und Rückzug und so fort...
Diese Art von Gleichgewicht ist unbefriedigend, kann aber über Jahre hin stabil bleiben. Beide leiden darunter, der eine meist mehr, der andere weniger. Aber sie finden keinen Weg, sich daraus zu befreien. Wenn dann etwas passiert, wie z.B. eine hinzukommende Außenbeziehung eines der Partner, dann kippt das Gleichgewicht plötzlich. Kurze Zeit entsteht Chaos. Alle Abläufe geraten durcheinander. Die Gefühle wogen hoch. Das alte Beziehungsmuster ist aufgelöst - das ist für alle Beteiligten sehr beängstigend und verwirrend.
Was sind die Ursachen?
In dem Beispiel oben ist es offensichtlich, daß das vorausgehende "Gleichgewicht" des Paares äußerst unerquicklich war. Doch es gibt zahlreiche Ereignisse, die für eine Paarbeziehung ganz Ähnliches bewirken - bei dem man erst im Nachhinein die Erstarrung bemerkt, in die man im Laufe der Zeit hineingeraten sind. Paare haben vielleicht ganz zufrieden und ruhig "vor sich hin" gelebt - jahrelang. Doch plötzlich gerät einer von beiden durch einen Unfall in akute Lebensgefahr, ein Kind versagt in der Schule, da stirbt eine nahestehende Person, oder ein Partner wird schwer krank oder verliert seinen Arbeitsplatz.
Das rüttelt beide wach. Sie sehen wieviel sie aneinander haben, aber wie wenig sie sich in letzter Zeit noch begegnet sind und einander berührt haben. Die akute Bedrohung läßt die beiden vor dem Ausmaß ungelebten Lebens zwischen ihnen erschrecken. Dieser Schock kann sie herausfordern, die Glut wieder zu entdecken, die unter einer dicken Ascheschicht schon zu ersticken drohte...
Krisen haben aber auch Potential...!
Vorhersehbare und unvorhersehbare kritische Lebensereignisse erschüttern in der Geschichte jeden Paares immer wieder die eingespielten Abläufe und Alltagsgewohnheiten. Dabei gerät dann nicht nur das ungut Erstarrte durcheinander. Oft zerstören sie auch Wertvolles und bis dahin für lebensnotwendig Gehaltenes.
Aber es bedeutet zugleich die Chance, etwas Neues zu finden. Auch wenn es hart klingt: In solchen Fällen berichten Menschen immer wieder, daß ihnen daraus Neues, Lebendigeres, Tieferes entstanden ist. Manchmal sagen sie sogar in der Rückschau: "Ich bin dankbar, daß mir das damals geschehen ist. Dieser Verlust war zwar sehr schmerzlich, aber er hat uns weiter gebracht..." Sogar die unheilbare Erkrankung eines Partners kann die beiden angesichts des Todes in eine Tiefe ihrer Liebe führen, zu der sie ohne diese Bedrohung niemals vorgedrungen wären.
Oder in dem Beispiel der sich einschleifenden Unzufriedenheit: Durch den Einbruch eines Aussenstehenden in die Paar- oder Freundesbeziehung sehen die Partner plötzlich, wie sie sich und ihre Beziehung haben herunter kommen lassen. Vielleicht aktiviert nun der unzufriedene Partner seine Selbstachtung und seinen Ehrgeiz und nimmt ab da sein Leben in der Partnerschaft oder Freundschaft aktiv in die Hand.
Auch der andere Partner aktiviert neue Kräfte - er hält der Krise stand! Man könnte auch mit dem eingebrochenen Aussenstehenden davonlaufen - oder die Beziehung zu ihm schnell abbrechen. Beides tun sie nicht, weder weglaufen noch klein beigeben. Es ist für beide hart, die Spannung auszuhalten, aber es lohnt sich schließlich. Das Chaos ordnet sich allmählich zu einem neuen Muster. Der eine Partner wird wieder attraktiv für den anderen - eine neue Phase des Zusammenlebens kann beginnen!
Wie erreicht man das?
Krisen in der Beziehung können tatsächlich zu einer Chance neuer Lebendigkeit werden, freilich nicht automatisch. Manchmal werden Partner durch sie nur noch härter und liebloser. Sie eskalieren durch die Krise in ihren negativen Mustern noch unerbittlicher als jemals zuvor und kommen dadurch gar nicht mehr zusammen. Damit Krisen Wachstums-Krisen werden, braucht es bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen der Betroffenen. Es braucht in der Krise die Hoffnung oder den "Glauben", daß man dem Leben in all seinen Facetten einen Sinn abgewinnen oder abringen kann: "Es gibt immer wieder neue Möglichkeiten, auch wenn ich sie im Moment nicht spüre oder sehe."
Selten läßt sich der Zustand vor der Krise wieder herstellen. Die Frage ist aber, ob man das wirklich will. Nicht umsonst hat vielleicht gerade die Situation vor der Krise diese erst hervorgerufen.
Fast immer geht es darum, in der Beziehung neue Möglichkeiten des Zu- sammenlebens zu finden. Krisen fordern uns heraus, in der Entwicklung weiterzugehen. "Wir sind heute - nach der Krise - an einem ganz anderen Punkt in unserer Beziehung als wir vorher waren!" - diese Erkenntnis bedarf einer gewisse Kreativität und eine aktive Auseinandersetzung mit der Krise, anstatt nachhaltig in Depression und Passivität zu versinken.
Eine durchaus kämpferische Haltung muß keine Abwehrhaltung sein. Viel erfolgversprechender als ein "Dagegenstellen" ist ein "Mitgehen" - wenn vielleicht auch eine Zeitlang mit Zähneknirschen. Es geht darum, nicht die Energie zu vergeuden, indem man sich gegen die Krise wehrt oder frühere Zeiten herbeisehnt, sondern darum, sie ins Finden neuer Einstellungen und Wege zu investieren.
Was können die einzelnen Partner dazu beitragen?
Eine große Hilfe in der Krisenbewältigung ist die Kooperations- und Unterstützungsbereitschaft der Partner. "Wir halten zusammen!" oder: "Wir machen oder tragen es miteinander!" kann eine schwer angeschlagene Partnerbeziehung eng zusammen schweissen. Freilich ist dies in einer Krise aufgrund einer Außenbeziehung nur sehr schwer möglich. Aber auch hier läßt sich ein Mindestmaß an Achtung und Loyalität zum andern aufrechterhalten - vielleicht verbunden mit dem gemeinsamen Ziel, die wahren Ursachen für das Einbrechen eines Aussenstehenden in die Paarbeziehung zu finden.
Auf keinen Fall nützt es, gerade in einer solchen Situation den Partner erst recht in die Flucht zu schlagen und dem Aussenstehenden in die Arme zu treiben. Wenn ich den anderen nur noch gegen mich erlebe, dann ist eine Beziehungskrise allerdings wirklich der Anfang vom Ende! Sich in der Krise jedoch als personelle Größe zu erweisen - eine Offenheit und Toleranz an den Tag zu legen, die der andere Partner nicht erwartet hat, wird mit Sicherheit nicht unbeachtet bleiben. Und vielleicht war es genau das, was der eine Partner am anderen vermisst hat und bei dem Aussenstehenden zu finden glaubte? Unter diesem Blickwinkel bietet sich zumeist eine neue Chance - denn all das was früher einmal für die Beziehung sprach, erscheint dann plötzlich wieder greifbar...
Fazit
Effektives Krisenmanagement kann man natürlich nicht in der Theorie lernen. Es bedarf des Lernens in der Krise selbst! Doch wenn es erst zu der richtigen grossen Krise gekommen ist, kann es dafür zu spät sein...
Idealerweise läßt sich das hier gesagte auch bei den kleinen Krisen des Alltags anwenden, sozusagen als Übungsfeld für den Ernstfall. Nur wer bereit ist, sich auch einer Auseinandersetzung konstruktiv zu stellen und darin prinzipiell das Potential zur Weiterentwicklung sieht, kann die Chancen nutzen, die sich durch die Weichenstellungen des Lebens - den Krisen - bieten. Dieser Beitrag soll dazu hilfreich sein, im Falle des Falles die Entwicklung von Krisen zu verstehen und sich ihnen mit Geschick und wachen Sinnen zu stellen.
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