Registriert: Mi 11. Mär 2009, 00:02 Beiträge: 24
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Zehn Fragen an Gode PötterInterview über die Zukunft des Familienkreisesvon: Natascha Nolte, MarlÜber die aktuelle Entwicklung im Verkehrskindergarten an der Ortlohstrasse stellt Natascha Nolte, Pressesprecherin vom Kreis-junger-Familien, zehn Fragen an den Leiter der Einrichtung, Herrn Godehard Pötter (48), der zusammen mit seiner Frau Lissy Pötter den Familienkreis im Jahr 2000 gegründet und die ganze Anlage gebaut hat: Natascha Nolte: Sie hatten bisher drei 1-Euro-Kräfte. Warum jetzt nicht mehr?Gode Pötter: Seit mehr als 5 Jahren setzen wir uns sehr ein für die Menschen, die als Ein-Euro-Kräfte zu uns kommen. Das sind oft Leute, die völlig am Ende sind, abgelehnt, auf dem Abstellgleis, die niemand mehr will, die sich selber aufgegeben haben. Oft auch alkoholbedinger Hintergrund.
Wir haben diese Menschen angenommen, uns intensiv um sie gekümmert, sie gefördert und ihnen eine richtige Übeplattform geboten, mit der sie sich wieder auf ihr Arbeitsleben vorbereiten konnten. Diese Menschen sind hier regelrecht aufgeblüht, haben sich angenommen gefühlt und ihr Selbstwertgefühl wiedergefunden. Manchen haben wir hier sogar eine richtige Berufsqualifikation geboten.
Es tut uns weh, wenn die Arbeitsagentur nun behauptet, sie müsse die Ein-Euro-Kräfte vor uns schützen, weil wir sie gar nicht anleiten könnten. Natascha Nolte: Die Arbeitsagentur sagt, dass nur hauptamtliche Kräfte die Ein-Euro-Kräfte anleiten können. Stimmt das?Gode Pötter: Wir sind hier hauptberuflich tätig – ich bin als Unternehmer den ganzen Tag auf der Anlage. Meine Frau ist staatlich geprüfte Erzieherin, ebenfalls den ganzen Tag mit den Ein-Euro-Kräften beschäftigt.
Das einzige, was uns von der Definition der Arbeitsagentur unterscheidet, ist dass wir keine Gelder aus den Spenden und Sponsoring abziehen, um uns Gehälter zu zahlen. Sondern wir stecken alles in das Sozialengagement. Ist die Befähigung, Ein-Euro-Kräfte anzuleiten, allein von der Tatsache abhängig, dass wir aus den Spendenmitteln Gehälter an uns zahlen? Natascha Nolte: Wer hat Schuld an der ganzen Misere?Gode Pötter: Von Schuld kann gar keine Rede sein. Wir haben 10 Jahre lang etwas aufgebaut, was nun steht und unwahrscheinlich schön und wertvoll geworden ist. Das gilt es nun zu erhalten, und das ist die Aufgabe, bei der wir nun Hilfe suchen.
Eine Stadt wie Recklinghausen muß sich fragen, was es ihr wert ist, wenn ihre eigenen Bürger vollkommen in Eigenleistung etwas aufbauen, was über alle Stadtgrenzen hinweg Beachtung findet, schon eine ganze Anzahl von Familien dazu gebracht hat, sich hier anzusiedeln und sogar mit dem landesweiten Robert-Jungk-Preis ausgezeichnet wird. Natascha Nolte: Was erhofft Ihr Euch von der Stadt?Gode Pötter: Wir sehen, dass trotz Nothaushalt und enger gesetzlicher Vorgaben andere Träger sehr wohl erhebliche Fördermittel erhalten. Wir haben bis auf zwei Spielgeräte im vergangenen Jahr in der ganzen Zeit keinerlei öffentliche Fördermittel erhalten. Wir sind genauso gemeinnützig und als Jugendhilfeträger anerkannt, wie diese anderen Vereine, die z.B. 6-stellige Fördermittel bekommen. Soviel brauchen wir ja gar nicht. Uns würde ein Bruchteil davon reichen, um weiterhin das öffentliche Spielangebot aufrecht erhalten zu können. Natascha Nolte: Fühlt Ihr Euch ein wenig allein gelassen?Gode Pötter: In gewisser Weise schon. Wenn man soviel persönlich in ein Sozialengagement investiert, wie wir das immerhin schon seit 10 Jahren tun, dann hätte ich mir schon gewünscht, dass wir ein bischen mehr an die Hand genommen werden bei den Dingen, die wir nicht so gut können. Denn ein professionelles sich um Spenden und Sponsoring kümmern erfordert einen vollen Einsatz - und das können wir nicht auch noch obendrein.
Wir können dafür gut mit Kindern arbeiten, für die Erwachsenen da sein, Spielanlagen bauen und uns um die Menschen kümmern, die sich hier vor Ort an uns orientieren. Uns um die Finanzierung kümmern, dafür haben wir einfach keine Zeit - und das können andere außerdem viel besser, dafür hat die Stadt Spezialisten, um deren Rat wir immer wieder gebeten haben. Immerhin leisten wir hier einen erheblichen Beitrag für das familienfreundliche Klima in der ganzen Stadt. Das sollte der Stadt schon mehr wert sein! Natascha Nolte: Jhr habt eine beträchtliche Summe in das Projekt gesteckt. Warum?Gode Pötter: Ich glaube daran, dass Sozialengagement gerade in unserer Zeit ganz besonders notwendig ist. Ich hatte die Möglichkeit dazu – aufgrund meiner Lebenssituation. Also haben ich und meine Frau zehn Jahre lang all unsere Zeit, Kräfte und eine Menge von unserem Privatvermögen in den Aufbau dieses Familienkreiszentrums gesteckt.
Wir sind bedingungslos in Vorleistung getreten, in der Hoffnung, dass unser Sozialengagement Schule macht - und dass das, was wir aufgebaut haben, unserer Gesellschaft irgendwann so wertvoll wird, dass sich jemand findet, der es am Leben hält. Jetzt sind unsere Möglichkeiten erschöpft, und wir auch. Nun brauchen wir Unterstützung, um all das Positive, was hier entstanden ist, fortsetzen zu können. Natascha Nolte: Wie geht es jetzt weiter?Gode Pötter: Wir haben die Hoffnung, dass sich durch die öffentliche Aufmerksamkeit vielleicht Kontakte zu Bürgerstiftungen ergeben, oder dass sich jemand bei uns meldet, der uns konkret an entsprechende Fördermöglichkeiten auf Landes- oder EU-Ebene vermitteln kann. Ich bin mir sicher, dass es diese gibt. Unsere schon übermässige Auslastung hier macht uns chancenlos, je sowas suchen und finden zu können. Dafür brauchen wir jetzt einfach Hilfe. Natascha Nolte: Was ist, wenn Ihr diese Hilfe nicht bekommt?Gode Pötter: Unsere persönlichen Möglichkeiten sind jetzt nach zehn Jahren erschöpft, weiterhin unser ganzes Geld und unsere ganze Zeit in das Sozialengagement zu stecken. Wir müssen beide wieder in unser Berufsleben zurück finden. Ich werde wieder als Unternehmensberater tätig sein, während meine Frau irgendwo als Erzieherin andere Kinder betreut, während hier die Kinder traurig auf sie warten, und vielleicht von einer fremden, dafür aber geförderten Kraft betreut werden.
Wir haben nie vorgehabt, eine kommerzielle Einrichtung zu werden, die Mitgliedsbeiträge erhebt und Eintrittsgelder verlangt. Unser ganzes Konzept richtet sich vielmehr an die Schwächsten in unserer Gesellschaft, nämlich Hartz IV Familien, Alleinerziehende und mittellose Menschen, die nicht auch noch Geld dafür zahlen müssen, um mit ihren Kindern Zeit verbringen zu können.
Wir werden aber förmlich dazu gezwungen. Daher werden wir nun die dringlichsten Aufgaben über Mitgliederbeiträge finanzieren müssen. Auf der Strecke bleibt dabei das eigentlich Wertvolle – nämlich die intensive Arbeit mit den Menschen – und das öffentliche Angebot. Dafür brauchen wir mehr, als nur eine 400-Euro-Kraft zum Rasenschneiden, sondern wenigstens eine Vollzeitstelle und zwei 400-Euro-Kräfte. Natascha Nolte: Was steht einer Förderung durch die Stadt denn entgegen?Gode Pötter: Wir wissen es nicht! Wir tun seit Jahren doch, was die Stadt uns sagt. Wir sind ein eingetragener Verein geworden, haben die Gemeinnützigkeit erlangt, und sogar die Anerkennung als Jugendhilfeeinrichtung. Wir haben aus dem Privatgelände ein Vereinsgelände gemacht und alle erforderlichen Versicherungen abgeschlossen. Die Betreuung ist durch staatlich anerkannte Fachkräfte sichergestellt.
Also - nun stehen wir genauso da, wie andere Jugendhilfeträger. Wenn wir noch etwas tun sollten und müssen, um Förderungen zu bekommen, werden wir das tun. Aber unsere Bitten, uns diesbezüglich zu beraten, verhallen seit Jahren ungehört. Natascha Nolte: Habt Ihr vielleicht nicht laut genug um Hilfe gerufen?Gode Pötter: Ich glaube nicht, dass es daran liegt. Wir haben uns immer wieder an das Jugendamt gewendet, viele Male mit Volker Hülsmann gesprochen, der dort der jetzige Leiter ist. Auch mit dem Sozialdezernenten der Stadt, Georg Möllers, hat es ausführliche Gespräche gegeben. Und an den Bürgermeister als unseren Paten haben wir uns immer wieder schriftlich gewendet, mehrmals sogar als öffentlicher Brief über die Zeitung, wenn nichts anderes mehr nützte.
Wir sind es leid, dass wir immer größere Geschütze auffahren müssen, um überhaupt noch gehört zu werden. Wohin soll sich das noch aufschaukeln? Natascha Nolte: Wie hat denn die Stadt auf Euere Hilferufe bislang reagiert?Gode Pötter: Wir haben ja schon frühzeitig angefangen, uns selber nach Fördermöglichkeiten umzusehen. Zum Beispiel waren wir die ersten in Recklinghausen, die den Antrag auf Anerkennung als Familienzentrum gestellt hatten (die Zeitungen berichteten, siehe Pressespiegel) - weil wir diese Breitbandigkeit an Familienförderung schon längst im Programm hatten, als andere erst damit angefangen sind. Das Jugendamt hat uns dazu überredet, diesen Antrag wieder zurückzuziehen, weil es angeblich dafür gar keine Fördermittel geben würde. Das haben wir getan, kurz drauf hat die Stadt ihre eigenen Einrichtungen zu Familienzentren ausgebaut, weil es eben doch erhebliche Fördermittel dafür gibt.
Oder die Sache mit der Anerkennung als Jugendhilfeeinrichtung - auch diesen Antrag haben wir zweimal gestellt. Nämlich weil wir ebenfalls nach dem ersten Mal vom Jugendamtsleiter angerufen wurden, den Antrag doch wieder zurückzunehmen, weil wir gar nicht anerkannte Einrichtung sein bräuchten, um mal Fördermittel zu erhalten. Das haben wir ihm geglaubt, und daher den Antrag zurückgezogen. Unsere kurz drauf beantragte Förderung eines Spielgerätes wurde dann aber abgelehnt unter anderem, weil wir eben keine anerkannte Einrichtung seien, und die Stadt keine freien Einrichtung fördern könne. Natascha Nolte: Aber jetzt seid Ihr doch offiziell anerkannter Jugendhilfeträger?Gode Pötter: Ja, dennoch bekommen wir keine Fördermittel. Wir haben alles, was die Stadt je an Hinderungsgründen genannt hat, schnurstracks beseitigt - wir sind keine private Elterninitiative mehr, sondern ein amtsgerichtlich registrierter gemeinnütziger Verein mit Satzung und Geschäftsordnung. Wir agieren nicht auf einem Privatgelände, sondern haben unser Grundstück (für null Euro) an den Verein verpachtet, so wie die Bauspielfarm in Suderwich. Und wir sind anerkannte Jugendhilfeeinrichtung mit einem Regelbetrieb von 6 festen eigenen Gruppen. Nun heißt es, wir könnten nicht gefördert werden, angeblich weil wir keinem Dachverband angehörten. Ich bin mir nach all diesen Erfahrungen sicher, dass die Stadt auch dann erneut weitere Gründe findet, uns nicht zu fördern. Natascha Nolte: Was sind nach zehn Jahren Sozialengagement Deine Erfahrungen damit?Gode Pötter: Ich mache leider immer wieder die Erfahrung, dass uneigennütziges Sozialengagement mißtrauisch beäugt wird, wo denn da der Haken dran ist. Nicht selten haben wir gerade deswegen eben keine Hilfe bekommen.
Dann habe ich ausgerechnet wegen meines Sozialengagements kürzlich erst meine Berufsunfähigkeitsrente verloren, weil die Versicherung argumentiert – wer sich in solchem Umfang sozial engagiert, nicht berufsunfähig krank sein könne.
Und nun ist es ein ähnliches Argument der Arbeitsagentur, die uns sämtliche Ein-Euro-Kräfte gekostet hat, weil wir keine Gehälter für uns abzweigen, sondern alles als Sozialengament leisten....
Wir haben uns kürzlich erst an den Caritas-Bistumsverband gewendet mit der Bitte, uns zu beraten. Dort hat man uns lediglich die Frage vorgelegt, wieviel Beiträge wir von unseren Mitgliedern nehmen und ob sich unser Engagement wirtschaftlich rechnet.
Das tut echt weh, und macht mich zutiefst traurig, wenn Sozialengagement nur noch möglich ist, wenn es sich sogleich und auf Heller und Pfennig „rechnet“. Ich bin in einem anderen Sozialverständnis groß geworden – und möchte das auch gerne an die Eltern und Kinder der heutigen Generation weitergeben – in der Hoffnung, dass sie es als Multiplikatoren weitertragen. Natascha Nolte: Was ist Euer größter Wunsch?Gode Pötter: Ich möchte, dass all das Wunderbare, was wir hier mit viel Engagement und Herzblut geschaffen haben, weiter funktioniert und wir uns weiter so engagiert um die Menschen kümmern können, die zu uns kommen und Jahre ihres Lebens bei uns verbringen.
Ich möchte auch die Bestätigung finden, dass in unserer Gesellschaft doch noch Sozialengagement möglich ist - und wir nicht in einer Welt leben, in der nur noch Platz für kommerzielle Strukturen sind, und das Ehrenamt zur bloßen Dekoration verkommt.
Es ist vielleicht nur ein Wunschtraum, dass wir Menschen finden, die uns abnehmen, was wir selber nicht leisten können, nämlich den ganzen Tag damit zu verbringen, Spenden einzusammeln und Sponsoren suchen zu müssen. Denn unsere Qualitäten liegen ganz woanders - die kann man hier auf dieser wunderschönen Anlage und in dem ungewöhnlich breiten Spektrum unserer Sozialarbeit sehen. Die würden wir gerne mit ganzer Kraft und Lebensfreude fortsetzen! Natascha Nolte: Vielen Dank für das Interview!
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